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Renate Leukert

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*1973

Renate Leukert lebt als Autorin, Poetry Slammerin und Mathematikerin in Zurich.

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Gedeon

 

„Hast Du schon mal eine tote Ente gesehen? Ich meine, was passiert eigentlich mit toten Enten?“

Ja, hat er. Henri hat schon einmal eine tote Ente gesehen. Aber das sagt er der jungen Frau nicht. Sie blinzelt gegen die Sonne und sieht ihn an. Dabei wollte er nur in Ruhe sein Sandwich essen, hier am See. Und jetzt fragt diese Frau ihn, ob er schon einmal eine tote Ente gesehen habe. Klar doch, die flirtet mit ihm. Spätestens seit Nick Hornbys dead duck day weiss man um die Symbolkraft von toten Enten.

„Ganz klar, die sinken“, Henri erwidert ihren Blick  erst betont männlich, dann nachdenklich, „Vielleicht gehen sie auch an Land zum Sterben. Machen sich auf den Weg zum Entenfriedhof, wenn sie spüren, dass es an der Zeit ist.“

„Du meinst, wie die Elefanten?“ Die junge Frau lacht.

„Ja, hocken sich einfach irgendwo ins Unterholz und sterben ganz friedlich.“ Die Frau lächelt, streicht eine Locke hinter ihr rechtes Ohr.

Manchen bleibt allerdings keine Zeit, denkt Henri. Gedeon blieb keine Zeit. Sein Tod kam eher überraschend.

„Ich habe schon mal eine tote Ente gesehen“, sagt die Frau.

Ich auch, denkt Henri.

„Aber nur einmal.“

Die spinnt, denkt Henri.

 „Da drüben, auf der anderen Seeseite.“ Die junge rothaarige Frau zeigt in Richtung Rote Fabrik. „Trieb einfach so im Wasser, gerade auf uns zu. Kein schöner Anblick“.

„War es ein Männchen oder ein Weibchen?“fragt Henri.

Die Frau lacht. „Das hat sie mir nicht erzählt.“

Gedeon ist ein Erpel – oder besser, war ein Erpel - den Henri als Ei gemeinsam mit fünf anderen Eiern bekam.

„Man konnte auch gar nicht mehr erkennen, ob das eine Ente oder ein Männchen war.“

„Erpel nennt man die männlichen Enten.“ sagt Henri. Die Frau lacht.

Henri hat die Eier ausgebrütet in seinem Bett, aber nur Gedeon schlüpfte überhaupt.

„Bist Du oft hier?“ Sie legt den Kopf zur Seite und schaut ihn schräg von unten an, streicht sich das Haar wieder aus der Stirn.

Die flirtet tatsächlich mit mir, denkt Henri und sagt: „Nee, nur am Todestag meiner Ente.“ Dabei weiss er gar nicht mehr, wann Gedeon gestorben ist.

Die Frau lacht kurz und überlegt es sich dann anders. „Was, echt jetzt?“

 

Gedeon lebte etliche Monate mit Henri und dessen Familie. Ab und zu kam er in die Badewanne, hatte ein Gehege in Henris Zimmer und wurde an der Leine spazieren geführt. Es gibt auch ein Photoalbum von Gedeon und Henri.

 

„Quatsch.“ Henri grinst die Frau an.

Sie lächelt zurück, rückt aber doch ein wenig von ihm ab.

 

Einen Familien-Camping-Urlaub in der Provence hat Gedeon nicht überlebt.

Henri transportierte Gedeon in einem Schuhkarton, den er sorgfältig präpariert hatte. Die ganze Familie war  aus dem Auto gestiegen, Henri hatte sich gerade vergewissert, dass es Gedeon gut ging, und  den Karton  neben sich gestellt, um seinen Schnürsenkel zu binden, da schubste sein älterer Cousin den jüngeren Cousin. Der strauchelte und fiel zu Boden. Dabei zerquetschte er mit seinem veritablen Hinterteil  Gedeons Karton. Man hörte nur ein kurzes, erschrecktes Quaken. Henri wollte in den Karton schauen, sein Vater aber hielt ihn  davon ab, blickte selbst hinein und schüttelte nur traurig den Kopf. Später dann als, die gesamte Familie mit der Aussicht beschäftigt war, hat Henri doch in den Karton geblickt und sich sofort gewünscht, er hätte es nicht getan. Es sind nämlich immer die Cousins.

Henri betrachtet die junge Frau, die nun vorgibt zu lesen. Sie sitzen auf einer dieser Bänke ohne Lehne direkt am See. Die Frau lässt die Füsse über der Wasseroberfläche baumeln. Sie ist eigentlich nicht einmal hübsch. Wie kommt sie nur auf die Sache mit den toten Enten?

Henris Cousin hat heute einen Bauernhof und zwei Kinder. Über Enten weiss er nichts. Wie wäre Gedeon wohl gerne gestorben? Henri kann sich nicht mehr erinnern, wie sie ihn begraben haben, oder das, was von ihm übrig war. Sein Cousin war ein fettes hässliches Kind.

„Mein Cousin war ein fettes hässliches Kind.“

Die junge Frau rückt noch ein bisschen weiter von ihm ab, schaut in ihr Buch und dann doch immer wieder Henri an, so schräg von unten. Er merkt das, denn er kann die Augen weit zur Seite drehen, ohne den Kopf zu bewegen. Plötzlich tippt ihr jemand auf die Schulter. „Hey, da bist Du ja endlich.“  Sie springt auf, küsst den Typen auf den Mund. Er nimmt ihre Hand und bevor sie gehen, dreht sie sich noch einmal zu Henri um und sagt:“Tschau.“

 

Ist klar, Frauen, die von toten Enten reden, bleiben nicht lange.